Deutscher Tierschutzbund

Seit einigen Jahren helfe ich sonntags ehrenamtlich bei den Katzen im Tierheim aus. In dieser Zeit habe ich unendlich viele Tiere kommen und gehen sehen, aber die drei Katzen, die Anfang August 2016 aufgenommen wurden, sollten fast zwei lange Jahre hier im Tierheim bleiben.

Die drei – ein Kater und zwei Kätzinnen – blieben wochen-, wenn nicht sogar monatelang unsichtbar. Sie saßen stets eng aneinander gedrückt in einem einzigen Körbchen, und kam man ihnen versehentlich zu nahe, dann fauchten sie wild und schlugen von innen gegen die schützenden Decken und Tücher. Als sie irgendwann in den großen Abgabe-Raum umziehen durften, lagen sie fortan an immer derselben Stelle: Unter einem langen und tiefen Regal-Gestell, wo kein menschlicher Arm sie erreichen konnte.

Wie habe ich mich gefreut, als der Kater – Lorenzo – nach gut einem halben Jahr nicht gleich panisch wegrannte, als ich vorsichtig den Raum betrat. Er ließ sich sogar zu einem kleinen Bällchenspiel animieren, und ich dachte: Hurra, das Eis ist gebrochen! Aber weit gefehlt. Die Monate und das Jahr 2017 zogen ins Land, nie schien es Interessenten für die drei scheuen Gesellen zu geben. Wie auch, denn zu Vermittlungszeiten waren sie quasi unsichtbar. Andere Katzen kamen und gingen, und es zeigte sich, dass Lorenzo überaus sozial war und seine Artgenossen über alles liebte. Aber all seine Kumpels und Freundinnen wurden früher oder später vermittelt, er und seine beiden Schwestern Liselotte und Loretta blieben zurück.

Im Frühjahr 2018 (Lorenzo kam mittlerweile sofort angetrabt, wenn ich den Raum betrat, und ließ sich je nach Tagesform auch kurz von mir berühren), beschlossen wir, ihn zu uns zu holen. Und so durfte er am 30. April 2018, nach einem Jahr und fast neun Monaten, endlich das Tierheim verlassen. So lieb und sanft, wie er war, würde er bestimmt gut zu unserer Kätzin Kali passen. Er hätte eine Gefährtin und in unserem ruhigen Haus mit Garten genügend Rückzugsmöglichkeiten, falls er sich so gar nicht an uns gewöhnen sollte.

Aber es kam alles ganz anders.

Lorenzo blühte innerhalb weniger Wochen auf und war kaum wiederzuerkennen. Aus dem in sich gekehrten Tier wurde ein anhänglicher, verschmuster und fröhlicher Kater, der so laut schnurrte, dass die Wände wackelten. Unsere Kali hingegen hatte vom ersten Augenblick an panische Angst vor ihm. Sie zog sich trotz all unserer Bemühungen immer mehr zurück, frass kaum noch, verkroch sich im Garten, und schrie, wenn sie Lorenzo nur sah. Obwohl der ihr nie etwas tat oder sie gar bedrängte.

Ich wurde Stammgast bei unserer Tierärztin, versuchte es mit der Gabe von Bachblüten und Pheromonen, wälzte zum ersten Mal in meinem Leben Ratgeber-Literatur, aber nichts und niemand konnte Kali die Angst vor diesem großen Kater nehmen.

Und so waren die folgenden Wochen und Monate der reinste Horror, denn es zerriss uns das Herz: Die pure Freude einerseits über Lorenzos Entwicklung, die wir uns nie hätten träumen lassen, und die Trauer andererseits über Kalis Verwandlung in ein Häuflein Elend, das sich trotz all unserer Zuwendung immer mehr zurückzog.

Daher hatten wir irgendwann die schwierige Entscheidung zu fällen, ein anderes, liebevolles Zuhause für unseren Bub zu suchen, so schwer es uns auch fiel, denn so konnte es nicht weitergehen.

Im Herbst wurden wir fündig. Am 28. September 2018 durfte Lorenzo zu einem lieben und katzenerfahrenen Ehepaar ziehen, mit dessen Kater Baghira er sich vom ersten Augenblick an prima verstand. Unsere Befürchtung, dass er durch den Verlust seiner ersten "richtigen" Familie und seiner gewohnten Umgebung erst einmal wieder wochenlang unter einem Sofa verschwinden würde, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil – die große Verbundenheit zu seinem Kumpel Baghira, an dessen ruhigem Wesen er sich orientieren konnte, gab ihm Mut und Zuversicht, und schon nach kurzer Zeit erreichten uns wunderschöne Fotos von einem entspannten und glücklichen Kater.

Lorenzo hatte bei uns gelernt, zu vertrauen, und dieses Grundvertrauen in Menschen und in sich selbst nahm er in seine neue Familie mit. Mittlerweile springt der Kater, der im Tierheim vor lauter Menschenscheu unter einem Regal lebte, mit Begeisterung auf den Schoss seiner Menschen, und er liebt es, auf den Arm genommen zu werden und Nasenküsschen zu verteilen.

Fazit: Auch wenn es mit Sicherheit etwas mehr Mühe bedeutet, ein scheues Tier aufzunehmen, von dem man nicht weiß, ob es jemals zutraulich werden wird – die Liebesbeweise und die Dankbarkeit, die einem diese Geschöpfe entgegen bringen, sind umso kostbarer und die allerschönste Belohnung, die man sich als Tierfreund nur denken kann.

Lieber Lorenzo, auch wenn Du leider nicht bei uns bleiben konntest, so sind wir doch froh und stolz, so reich mit Deiner Liebe beschenkt worden zu sein, und wir sind glücklich, dass wir Dich auf den ersten Schritten in Dein neues Leben ein gutes Stück begleiten durften.

P.S. Unsere Kali ist wieder ganz die fröhliche Katze, die sie immer war, und auch Liselotte und Loretta haben mittlerweile ein schönes Zuhause gefunden.


Susanne Back und Familie, Februar 2019



Lorenzo Bilder Fam. Back:

Lorenzo Bilder endgültiges Zuhause:

 
 

Kontakt

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Tel. 06241 230 66 / Fax 06241 200 15 71
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