Lieber Kunxhi,
im Februar 2018 haben wir uns kennengelernt – bei einem Rundgang an der Schlingleine durch die geöffneten Freiläufe im Tierheim. Denn richtiges Anleinen und Gassigehen, das war anfangs mit dir kaum möglich. Von Beginn an warst du ein selbstbestimmter Hund, der sich in nix reinquatschen lassen wollte und seinen Tanzbereich notfalls mit Zähnen und Klauen verteidigte. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Eis zwischen uns gebrochen war, anfangs war kaum abzusehen, welch tiefe Freundschaft sich zwischen uns beiden entwickeln würde. Aber ich nahm die Herausforderung an – du auch, aber dich hatte ja auch niemand gefragt ;) – und so fand einer der einzigartigsten, stursten, witzigsten und absolut liebenswertesten Hundecharaktere den Weg in mein Herz.
Eine Mischung zwischen Schäferhund und Wildschwein, so habe ich dich immer genannt. Das Wildschwein hätte vieles erklärt ;) Du warst ein echter Rüpel, hast dich und mich gerne eingesaut, wolltest dir keine Grenzen aufzeigen lassen und konntest eine echte Dampfwalze sein. Aber vor allem warst du ein Clown. Über die Jahre hast du dich mit deinem Witz und Charme in die Herzen von so vielen Menschen geschlichen – musstest du anfangs noch im Zwinger sitzen, wenn ich mal in Urlaub war, konnte ich mich in den letzten Jahren vor Gassi-Vertretungen kaum mehr retten, und du hast auch eine tolle Gassigängerin für die Zeit unter der Woche gefunden. Stück für Stück hast du deine besonderen Seiten gezeigt, und wurdest im Tierheim der allseits beliebte „Sozialarbeiter“, denn in Hundekommunikation, da hat dir so schnell niemand was vorgemacht. So kamen echte Hundefreundschaften zustande – mit Jogi, Duke, Duman, Kima und so vielen anderen, die dich auf deinem langen Tierheimweg begleiteten. Dahlia und du, ihr wart das alte gemütliche Ehepaar, und mit Ayaz damals bebte die Erde, wenn ihr losgespielt habt. Man munkelt, du hättest auch gewisse Erzfeinde gehabt, aber hey, man kann sie ja nun auch nicht alle mögen! Du wurdest fester Bestandteil des Gassigänger-Seminars und des Gassi-Rudels, bist sowohl ängstlichen als auch übermotivierten Hunden souverän begegnet und konntest Situationen gekonnt entschärfen. Meistens ;) Und bei alldem hattest du immer gute Laune - selbst der dauerhafte Trichter in den letzten Monaten deines Lebens konnte die nicht trüben.
7,5 Jahre im Tierheim – niemand hat je nach dir gefragt. Unsichtbar warst du, niemand konnte hinter die Fassade schauen und den liebenswerten Quatschkopf hinter Bellen und Brummeln erkennen. Einige schwierigere Fälle als dich konnte das Tierheim vermitteln, aber du, du bliebst immer sitzen. So wurde das Tierheim zu deinem Zuhause. Du hast dich wohlgefühlt, du hattest deine Menschen, die dir Auszeiten ermöglicht haben, und ansonsten hast du das Tierheim halt ein bisschen auf den Kopf gestellt. 7,5 Jahre, in denen wir die Wochenenden bei Wind und Wetter gemeinsam verbracht haben (zu deinem Leidwesen auch bei Regen), uns eng zusammengerauft haben, unzertrennlich wurden. Wie gerne hätte ich dich bei mir aufgenommen, aber das wäre leider nicht möglich gewesen.
Nun hat der Krebs gesiegt, wie er es meistens tut, und ich stehe ohne dich da. Eine Ära geht zu Ende, und mir bleibt die Erinnerung an so viele, wundervolle Momente, die wir gemeinsam hatten. Zum Beispiel an deinen unstillbaren Heißhunger, der zu vielen unvergesslichen Situationen führte. Nichts war vor dir sicher, selbst mit Maulkorb konntest du Bäckertüten und Steakverpackungen quasi in Lichtgeschwindigkeit inhalieren. Beim ersten Versuch des Maulkorbtrainings verschwand die gesamte Wurst inklusive Verpackung und Metallverschlüssen im Null-Komma-Nix im Hund. Nach wie vor wird die Geschichte von der gammeligen Zuckerrübe erzählt, die du dir mehrere Wochen hintereinander immer wieder bei geschleppt hast, weil ich immer wieder vergessen hatte, wo auf dem Weg sie lag – du nicht. Oder natürlich das legendäre Rehbein, das du einmal in einem unbeobachteten Moment aus dem Unterholz gezogen hast. Stolz wie Bolle hast du das Ding wie eine Trophäe vor dir her getragen und dir natürlich auch nicht abnehmen lassen.
Apropos Rehe: du warst auch ein echter Jäger. Mehr als einmal bist du Reh, Eichhörnchen, Hase, Storch und notfalls auch mal Krähe hinterhergeflogen, und ich mit. Jagd war neben Essen deine zweite große Passion bis zum Schluss, und ich nehme an, du mischst jegliches Getier auf der anderen Seite des Regenbogens ordentlich auf. Jetzt gibt es ja kein unnützes Gegengewicht mehr an der Leine ;)
Und clever warst du, ohne Frage. Egal ob Apporttraining, Fährtenarbeit, Mantrailing oder Ninja Dog – du warst bei allem vorne dabei und hast mich immer wieder überrascht. So konnte ich dir spannende Auszeiten vom Tierheimalltag ermöglichen, zumal Autofahren eine deiner Lieblingsbeschäftigungen war. War eine Autotür nur einen Spalt offen, musste ich aufpassen, denn du wollest dich reinquetschen – egal wessen Auto es war.
Bei allem hattest du einen verschmitzten Charme, und das gnadenlos ausgenutzt. Der Schalk saß dir dick im Nacken. Deine Spielerei mit anderen Gassigängern hat uns so oft zum Lachen gebracht… Du hast dich liebend gerne an herabhängende Hände herangeschlichen und sie dann aus dem Nichts angestupst. Man konnte meinen, dich kichern zu hören, wenn sich daraufhin jemand erschreckt hat :) Gerne mal hast du mich niedlich in Sicherheit gewiegt, um dann plötzlich los zu spurten und mich von den Füßen zu hebeln, und zweimal stand ich plötzlich mit leerem Geschirr da, und ein gewisser Herr Kunxhi war nur noch am Horizont zu erkennen. Zum Glück zog die Leckerlietüte am Ende immer und du kamst fröhlich zu mir zurück gehopst.
Fröhlich, das warst du bis zum Ende, und dafür bin ich unendlich dankbar. Du musstest nicht leiden, du bist bestens gelaunt gegangen, mit deinem Kopf in meinen Händen und weiteren lieben Personen um dich herum, und du hinterlässt eine ganze Schar trauriger Menschen, die dich vermissen werden.
Wir beide, das war großes Kino. Tierheim-Dreamteam. Du reißt eine Lücke, die nicht geschlossen werden kann. Du fehlst. Ich werde dich nie vergessen.
Deine Martina (und der Rest vom Tierheimteam)